Deutschland unter Druck – und genau deshalb wieder im Fokus

Deutschlands Immobilienmarkt ist komplex, aber berechenbar. Für langfristige Investoren entstehen jetzt Chancen – wer ESG, Strukturierung und Partnerwahl ernst nimmt, kann Assets sichern, die 2021 unantastbar waren.

Deutschland unter Druck – und genau deshalb wieder im Fokus
Sven von Bismarck

Warum internationale Immobilieninvestoren jetzt (wieder) genauer hinsehen sollten

Einleitung: Deutschland, der stille Magnet

Seit über einem Jahrzehnt begleite ich internationale Investoren beim Einstieg in den deutschen Markt – von ersten Überlegungen bis zur Umsetzung konkreter Transaktionen. In dieser Zeit habe ich euphorische Boomphasen und zurückhaltende Krisenjahre erlebt. Was ich aktuell beobachte, ist etwas Neues: keine Investitionswelle, aber eine stille, strategische Neuausrichtung. Deutschland steht wieder auf der Agenda – gerade weil es unter Druck steht.

Besonders Investoren aus den Golfstaaten, die ich regelmäßig berate, bringen eine neue Ernsthaftigkeit mit. Sie stellen heute andere Fragen als vor fünf Jahren. Weniger: „Wie viel Rendite können wir kurzfristig erzielen?“ – mehr: „Wie stabil, strukturierbar und steuerlich steuerbar ist das Investment langfristig?“

1. Die Marktkorrektur ist real – aber differenziert

In vielen Presseartikeln liest man von einem 30–40 % Rückgang der Immobilienpreise. Das klingt dramatisch – und ist in Einzelfällen auch zutreffend. Aber ein differenzierter Blick zeigt: Es gibt nicht „den Markt“.

🔹 Core-Büroimmobilien in Toplagen großer Städte (z. B. München, Hamburg, Frankfurt) haben sich vergleichsweise stabil gehalten.

🔹 Projektentwicklungen in weniger gefragten Lagen – insbesondere im Wohnungsbau – haben hingegen teils massive Korrekturen erfahren.

🔹 Logistikimmobilien haben Rücksetzer gesehen, aber die strukturelle Nachfrage bleibt hoch, nicht zuletzt durch E-Commerce und Nearshoring-Trends.

🔹 Wohnimmobilien sind stark abhängig vom Standort, vom energetischen Zustand und von möglichen ESG-Auflagen.

Der eigentliche Engpass liegt derzeit nicht allein im Preis – sondern im gegenseitigen Verständnis von Wert. Verkäufer und Käufer arbeiten häufig mit unterschiedlichen Bewertungsmodellen. Das führt zu langen Verhandlungen – oder gar zu Transaktionsstillstand. Wer den Markt versteht und Bewertungslogiken vermittelt, hat hier einen echten Vorteil.

2. Asset-Auswahl: Nicht alles ist automatisch günstig

Viele sprechen von „Schnäppchenjagd“. Das halte ich für gefährlich.

Ein Preisnachlass von 30 % ist irrelevant, wenn ESG-Anforderungen mittelfristig zu Nachinvestitionen in Millionenhöhe führen. Oder wenn keine Anschlussfinanzierung gesichert werden kann. Oder wenn das Objekt strukturell unattraktiv bleibt.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen aktuell:

Logistik & Light Industrial: Cashflow-stark, robust, oft in Unternehmerhand, mit wenig professionellem Asset Management – das bietet Chancen.
Wohnimmobilien in A- und B-Städten: Preislich attraktiv, aber technisch oft rückständig. ESG-konforme Sanierungen sind kostenintensiv.
Büroimmobilien: Nur selektiv interessant – Toplage, ESG-Konformität und flexible Nutzung sind Voraussetzung.

Die größte Fehleinschätzung liegt oft in der Annahme, dass ein niedriger Preis ein gutes Investment bedeutet. Das ist nur dann richtig, wenn die Folgekosten, ESG-Themen, Mieterstruktur und Exitfähigkeit sauber analysiert wurden.

3. Deutschland überzeugt – gerade durch seine Komplexität

Deutschland ist kein einfacher Markt. Die regulatorische Dichte, die föderalen Strukturen, der Mieterschutz, die ESG-Vorgaben – all das schreckt manche ab.

Doch genau diese Komplexität macht den Markt auch berechenbar. Aus Sicht langfristiger Investoren zählt das.

📌 Rechtssicherheit: Enteignung oder politische Eingriffe wie in anderen Ländern? Kaum zu erwarten.
📌 Kapitalverkehr: Keine Restriktionen für ausländische Investoren.
📌 Transparenz: Marktteilnehmer sind professionell, Datenräume und Due Diligence-Prozesse gut etabliert.
📌 ESG-Regulierung: Ambitioniert, aber planbar. Wer heute ESG-konform saniert, schafft Wertsteigerung – nicht nur Regulierungstreue.

Diese Stabilitätsmerkmale zahlen sich für institutionelle Anleger aus – auch wenn sie nicht im ersten Moment Renditewunder bedeuten.

4. Struktur schlägt Timing

Ich beobachte einen grundlegenden Strategiewechsel: Früher war das Hauptthema „Einstiegszeitpunkt“. Heute lautet die zentrale Frage: Wie strukturiere ich mein Investment optimal – rechtlich, steuerlich, operativ?

Moderne Investmentstrukturen setzen meist auf:

🔸 SPVs oder Club Deals: Risiko wird verteilt, Governance klar geregelt.
🔸 Joint Ventures mit lokaler Expertise: Asset-Management vor Ort ist entscheidend – besonders in ESG-Fragen oder bei Mieterbindung.
🔸 Kombination aus Eigen- und Mezzanine-Kapital: Flexibilität bei Finanzierungen schafft Handlungsspielraum.
🔸 Sale-and-Leaseback: Spannend für Unternehmensimmobilien mit stabilen Mietern.
🔸 Luxemburg als Strukturstandort: Steuerliche Effizienz und internationale Investorenlogik treffen hier aufeinander.

Ein Kapitalgeber ohne strukturelle Vorbereitung, ohne lokale Ansprechpartner, ohne ESG-Konzept hat aktuell wenig Chancen, einen Deal erfolgreich abzuschließen – selbst wenn er bereit ist, viel zu zahlen.

5. ESG ist kein Nebenthema – sondern zentraler Investmenttreiber

ESG wird oft als regulatorischer Zwang verstanden. In Wirklichkeit ist es ein strategischer Hebel:

✅ Wer ESG-konform saniert, sichert langfristige Mieterbindung und bessere Finanzierungskonditionen.
✅ Wer ESG ignoriert, riskiert Wertverluste, sinkende Nutzbarkeit und steigende Betriebskosten.

Gerade ausländische Investoren unterschätzen oft, wie konkret ESG-Anforderungen in Deutschland heute schon sind – etwa bei Energieverbrauchsausweisen, Mietverträgen oder Kreditvergabe.

Mein Rat: ESG muss nicht nur in der Due Diligence betrachtet, sondern als eigenständiger Projektstrang gemanagt werden – mit technischem, rechtlichem und finanziellem Know-how.

6. Lokale Partnerschaft entscheidet über Erfolg

Internationale Investoren brauchen lokale Verbündete – nicht nur zur Abwicklung, sondern zur Vermeidung von Fehlern vor der Abwicklung.

Ein häufiger Fehler: Der Deal wird von außen strukturiert – mit Anwälten, Steuerberatern, Family Offices – und dann wird ein lokaler Partner „nachgezogen“. Viel sinnvoller: Frühzeitig mit Partnern arbeiten, die den Markt wirklich kennen, Netzwerke haben, Prozesse beschleunigen und kulturelle Brücken bauen.

Ein gutes Beispiel ist die wachsende Zahl von Joint Ventures mit operativer Beteiligung: Lokale Partner erhalten Anteile oder Erfolgsbeteiligung – im Gegenzug bringen sie Marktverständnis, Pipeline und Managementfähigkeiten ein. Das senkt das Risiko und erhöht die Umsetzungschancen.

Fazit: Wer langfristig denkt, findet jetzt Einstiegsmöglichkeiten

📌 Der deutsche Immobilienmarkt ist weder am Boden noch im Höhenflug. Aber er ist in Bewegung – und das macht ihn spannend.

📌 Wer das Risiko strukturiert, ESG ernst nimmt und nicht auf Schnäppchenjagd geht, sondern auf Qualität achtet, findet derzeit Einstiegsmöglichkeiten mit Wertsteigerungspotenzial.

📌 Deutschland bleibt anspruchsvoll – aber lohnend. Gerade für Investoren, die strategisch denken, Strukturierungs-Know-how mitbringen und sich auf die Besonderheiten des Marktes einlassen.


Abschlussfrage an die Community:

💬 Welche Märkte und Asset-Klassen haltet Ihr derzeit für interessant – speziell aus Sicht langfristiger, internationaler Investoren?

Ich freue mich auf den Austausch – gerade mit denen, die Erfahrung mitbringen und über Tellerränder hinausdenken.

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen: www.vonbismarck-x.com