Die Unart des Nachverhandelns

Nachverhandlungen im Beratungsgeschäft – ob vor Vertragsunterzeichnung oder nach Projektabschluss – schaden dem Vertrauensverhältnis. Dieser Beitrag plädiert für klare Haltung und professionelle Standards auf beiden Seiten.

Die Unart des Nachverhandelns
Sven von Bismarck

Warum Beratungsmandate kein Basar sind

Verhandeln gehört zum Geschäft. Keine Frage. Aber irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem aus Verhandlung ein Verstoß gegen den Geist professioneller Zusammenarbeit wird. Genau das ist der Fall, wenn Beratungsmandate nachverhandelt werden – entweder kurz vor Vertragsabschluss oder nach Projektende. Es sind Momente, in denen Vertrauen nicht nur erschüttert, sondern systematisch untergraben wird.

Was auf den ersten Blick wie legitime Kostendiskussionen erscheinen mag, offenbart bei genauerem Hinsehen ein fundamentales Missverständnis von Partnerschaft, Verbindlichkeit und professioneller Integrität.

Dieser Beitrag beleuchtet zwei besonders problematische Ausprägungen des Nachverhandelns, ordnet sie kritisch ein – und plädiert für mehr Haltung, auf beiden Seiten des Tisches.


Verlässlichkeit ist kein Luxus – sondern Grundlage

Beratung basiert auf mehr als Fachwissen. Sie verlangt Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein und ein gemeinsames Verständnis von professionellem Miteinander. Gerade in sensiblen, oft entscheidungskritischen Projekten ist Verlässlichkeit kein Bonus – sie ist Grundvoraussetzung. Wo sie fehlt, entstehen Unsicherheit, Misstrauen und Reibungsverluste. Und genau hier beginnt das Problem mit dem Nachverhandeln.

Denn wenn über Leistungen und Honorare schon Einigkeit erzielt wurde – sei es mündlich oder schriftlich vorbereitet – untergräbt jede nachträgliche Verschiebung dieses Einvernehmens die Grundfesten des gemeinsamen Tuns.


Zwei typische Ausprägungen – ein gemeinsames Problem

Auch wenn Nachverhandeln in vielen Spielarten daherkommt, sind zwei Formen besonders verbreitet – und besonders schädlich:

🔹 Variante 1: Die Nachverhandlung kurz vor Unterschrift
🔹 Variante 2: Die Nachverhandlung nach Projektabschluss

Beide Formen unterscheiden sich im Timing – aber nicht in ihrer Wirkung. Sie bringen Unruhe in einen bereits geschlossenen Kreis, säen Misstrauen und signalisieren vor allem eines: Dass Verbindlichkeit optional ist.


1. Die Nachverhandlung in letzter Minute

Wenn kurz vor dem Handschlag plötzlich alles wieder offen ist

In vielen Beratungsmandaten erleben wir Folgendes: Nach intensiven Gesprächen, detaillierten Angebotsausarbeitungen und inhaltlicher wie wirtschaftlicher Einigung kommt es zur Vertragserstellung. Alles scheint auf Kurs – und dann, oft ohne wirkliche Begründung, folgt der Rückzieher: „Wir müssten nochmal über den Preis sprechen.“

Dieses Verhalten ist nicht Ausdruck von Professionalität, sondern ein strategisches Spiel. Die Annahme: Wer schon so viel investiert hat, wird den geforderten Rabatt am Ende akzeptieren, um das Projekt nicht zu gefährden.

Doch genau hier liegt der Denkfehler: Gute Berater verkaufen keine Handelsware. Sie verkaufen Vertrauen, Zeit, Expertise – und Haltung. Wer versucht, in letzter Minute Druck auszuüben, spielt mit dem Fundament der Beziehung.

Was solche Taktiken bewirken:

  • Sie beschädigen die Vertrauensbasis vor Beginn der Zusammenarbeit
  • Sie entwerten die investierte Vorbereitungszeit und Sorgfalt
  • Sie setzen ein toxisches Signal für den weiteren Verlauf des Projekts

Es geht nicht um starre Preismodelle oder Unnachgiebigkeit – sondern um den respektvollen Umgang mit Einigungen. Wer Vertrauen aufbaut, nur um es dann strategisch auszunutzen, verliert langfristig mehr, als er kurzfristig spart.


2. Die Nachverhandlung nach Projektende

Wenn Vertrauen im Nachgang zur Verhandlungsmasse wird

Noch gravierender ist eine zweite Praxis: Die nachträgliche Diskussion über Vergütungsbestandteile nach erfolgreichem Projektabschluss.

Typisch sind Aussagen wie:

„Wir hatten uns etwas mehr Output erhofft.“
„Unsere finanzielle Lage ist aktuell angespannt.“
„Können wir da nicht noch eine Einigung finden?“

So verständlich wirtschaftlicher Druck im Einzelfall sein mag – derartige Nachverhandlungen untergraben ein zentrales Prinzip: Leistung verpflichtet zur Gegenleistung.

Wenn Vereinbarungen rückwirkend zur Disposition stehen, stellt das nicht nur die Beziehung infrage. Es stellt auch die Würde der geleisteten Arbeit infrage.

Häufig betroffen:

  • Erfolgsabhängige Komponenten („Success Fees“)
  • Schlussraten bei Festhonoraren
  • Zusatzleistungen ohne saubere Nachvergütung

Solches Verhalten ist kein Ausdruck legitimer Kritik – sondern schlicht eine Verletzung der Vertragstreue. Es ist weder professionell noch nachhaltig – und wird von guten Partnern schnell durchschaut.


Warum das Nachverhandeln schädlich ist

Wer Beratung beauftragt, sucht Lösungen, Verlässlichkeit und Engagement. All das setzt eine stabile Grundlage voraus. Und genau die wird durch nachträgliche Preisdebatten erschüttert.

Die Konsequenzen für die Auftraggeberseite:

  • Vertrauensverlust gegenüber dem eigenen Unternehmen
  • Rufschädigung in der Berater-Community
  • Verlust wertvoller Partner – nicht laut, aber endgültig

Die Konsequenzen für die Beraterseite:

  • Demotivation und Zurückhaltung in künftigen Projekten
  • erhöhte Risikoaufschläge in Angeboten
  • innere Kündigung – oft schon im ersten Gespräch

Nachverhandeln ist also kein Zeichen von Klugheit – sondern von Kurzsichtigkeit. Wer meint, am Ende noch ein paar Prozent herauszuholen, zahlt oft doppelt – durch Misstrauen, schlechte Stimmung und sinkende Qualität.


Beratung ist kein Basar – sondern Verantwortung

In Märkten, in denen Beratung als Commodity gehandelt wird, ist der Gedanke naheliegend: Preise sind verhandelbar, jederzeit. Doch wer so denkt, verkennt das Wesen guter Beratung.

Denn gute Beratung ist keine Tauschware. Sie ist ein Commitment – zu Qualität, Vertrauen und Verantwortung.

Das beginnt mit dem ersten Gespräch – und endet nicht mit der letzten Rechnung.

Darum gilt für beide Seiten:


Was Auftraggeber sich bewusst machen sollten

Verträge sind verbindlich – auch bei verändertem Wind.
Was heute sinnvoll war, darf nicht morgen in Frage gestellt werden, nur weil die Umstände sich geändert haben.

Gute Berater liefern nicht zum niedrigsten Preis – sondern zum höchsten Wert.
Weniger zahlen bedeutet meist: weniger Qualität, weniger Einsatz, weniger Nachhaltigkeit.

Partnerschaft erfordert Haltung – nicht Taktik.
Wer auf Augenhöhe agieren will, muss selbst verlässlich und klar sein. Alles andere ist Inszenierung.


Was Berater beherzigen sollten

Klare Verträge schaffen Klarheit – auch in der Krise.
Schriftliche Vereinbarungen schützen beide Seiten. Sie müssen präzise, eindeutig und fair sein.

Haltung heißt auch: Grenzen setzen.
Beratung heißt nicht, immer Ja zu sagen. Wer professionell arbeitet, darf und muss sich auch professionell abgrenzen.

Nachverhandlungen benennen – nicht dulden.
Schweigen hilft nicht. Wer nachträgliche Forderungen kommentarlos hinnimmt, macht sie salonfähig.


Fazit: Haltung ist die beste Versicherung

Nachverhandeln mag taktisch klug erscheinen – es ist aber unprofessionell. Wer Beratung als Partnerschaft begreift, muss bereit sein, Verbindlichkeit zu leben. Und genau darum geht es: um Haltung.

Denn ob vor Vertragsabschluss oder nach Projektende: Wer Vereinbarungen in Frage stellt, nachdem sie getroffen wurden, stellt auch die Beziehung in Frage.

Beratung ist kein Basar.
Und Ehrbarkeit ist nicht verhandelbar.

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen: www.vonbismarck-x.com