Ein Zelt in der Wüste

Geschäft in Saudi-Arabien beginnt nicht mit Verträgen, sondern mit Vertrauen. Eine persönliche Lektion aus der Wüste – über Geduld, Respekt und kulturelles Verstehen.

Ein Zelt in der Wüste

Was ich beim Business in Saudi-Arabien gelernt habe

Ich wurde einmal in ein Zelt in der Wüste eingeladen – am Rand von Jeddah, Saudi-Arabien.
Kein Luxuszelt. Kein Event. Einfach ein Ort mit Geschichte.

„Hier stand schon das Zelt meines Urgroßvaters“, sagte mein Gastgeber. Nebenan: seine Kamelherde. Nicht zur Milchproduktion, sondern als Symbol von Status, Stolz und Tradition.

Ich war geschäftlich unterwegs. Aber an diesem Abend ging es nicht um Businesspläne oder Vertragsdetails. Es ging um etwas anderes: Verbindung. Vertrauen. Herkunft.

Damals habe ich nicht sofort verstanden, was dieser Abend bedeutete. Heute weiß ich: Das war keine Gastfreundschaft „on top“. Es war der eigentliche Start der Geschäftsbeziehung.


Business in Saudi-Arabien funktioniert anders

Wer meint, in Saudi-Arabien liefe Geschäft wie bei uns – Meeting, Pitch, Abschluss – wird schnell auf dem falschen Fuß erwischt.

Die Businesswelt dort folgt anderen Codes. Sie ist weniger linear, weniger dokumentengetrieben – und dafür stärker geprägt von Beziehung, Respekt und Kontext.

Man lernt sich kennen. Persönlich. Bei Tee, beim Essen, beim Reden über Familie, Geschichte, Werte. Das geschäftliche Interesse bleibt oft unausgesprochen, ist aber präsent. Es ist wie ein Tanz – kein Wettlauf.

Man spricht nicht über das Geschäft. Man spricht über den Menschen. Und genau das entscheidet darüber, ob überhaupt ein Geschäft entstehen kann.


Vertrauen kommt vor Vertragswerk

In Saudi-Arabien beginnt kein Deal mit einem unterschriebenen Vertrag.
Er beginnt mit einer Geste. Mit einer Einladung. Mit einem Gespräch, das nicht auf ein Ergebnis zielt – sondern auf eine Beziehung.

Was bei uns als „Small Talk“ abgetan wird, ist dort essenzieller Bestandteil geschäftlicher Annäherung. Es geht nicht darum, die Zeit bis zum „eigentlichen“ Thema zu überbrücken – sondern darum, überhaupt erst eine Basis zu schaffen, auf der das eigentliche Thema behandelt werden darf.

Ich habe gelernt: Geduld ist keine Schwäche, sondern eine Währung.

Wer zu schnell auf einen Abschluss drängt, verliert mehr als nur Höflichkeit. Er verliert Vertrauen. Und damit jede Chance.


Persönliche Autorität zählt mehr als Funktion

Entscheider in Saudi-Arabien sind oft schwer erreichbar – aber wenn sie sprechen, zählt ihr Wort.

Hierarchien sind ausgeprägt, aber nicht im Sinne starrer Bürokratie. Vielmehr geht es um persönliche Autorität – um Status, Erfahrung, Alter, Netzwerke. Ein Titel allein reicht nicht. Es zählt, wer du bist – und wer dich eingeführt hat.

Respekt ist nicht verhandelbar. Kritik, wie wir sie kennen – sachlich, direkt, lösungsorientiert – kommt selten gut an. Man spricht in Bildern. Oder sagt durch das, was man weglässt, alles Wichtige.

Ich habe Meetings erlebt, in denen kaum etwas gesagt wurde – aber alles entschieden war. Die Kunst besteht darin, die Zwischentöne zu hören. Und nicht mit der deutschen Direktheit den Subtext zu zerstören.


Flexibilität ist Pflicht – nicht Kür

In Europa glauben wir gerne, dass Planung gleich Kontrolle ist.
In Saudi-Arabien habe ich gelernt: Planung ist gut – aber Flexibilität ist besser.

Pläne ändern sich. Meetings auch. Es kann sein, dass man morgens noch keinen Termin hat – und abends auf dem Weg zu einem entscheidenden Dinner ist. Die entscheidenden Gespräche finden selten im Kalender statt.

Wer dann an seinem Ablaufplan festhält, wird schnell ungeduldig – und übersieht, wie die Dinge hier wirklich laufen.
Ich habe gelernt: Halte deine Struktur intern – aber sei nach außen beweglich.

Denn was zählt, ist nicht, wann du sprichst – sondern wann der andere bereit ist, zuzuhören.


Wenn Nähe keine Garantie ist

Am Ende hat es mit dem Partner aus dem Wüstenzelt nicht dauerhaft funktioniert.
Nicht wegen eines Streits. Sondern wegen leiser, struktureller Unterschiede: andere Erwartungen, andere Entscheidungswege, ein anderes Verständnis von Verbindlichkeit.

Für ihn war ein Handschlag bindend – solange das Vertrauen intakt blieb. Für mich musste es am Ende auch operativ funktionieren: Abläufe, Zuständigkeiten, Verbindlichkeit.

Diese Unterschiede sind nicht besser oder schlechter – sie sind nur anders. Und sie zeigen: Auch bei größter Wertschätzung kann es sein, dass man sich nicht dauerhaft findet.

Aber: Ich bereue nichts. Denn es hat mich auf andere Geschäfte, die funktioniert haben, vorbereitet.


Warum diese Erfahrung bleibt

Ich habe gelernt, dass kulturelles Verständnis kein Nice-to-have ist – sondern Voraussetzung.
Dass Vertrauen vor Verträgen kommt.
Und dass nicht jeder Kontakt ein Deal wird – aber jeder Kontakt ein Fenster in eine andere Welt sein kann.

Ich habe gelernt, dass ein Abend in der Wüste mehr erklären kann als hundert Seiten PowerPoint.

Und ich habe gelernt, was man nicht delegieren kann: Präsenz. Zuhören. Verstehen.


Fünf Dinge, die ich heute anders mache

🔹 Ich akzeptiere langsame Prozesse als Teil der Beziehungspflege.
Ich frage mich nicht mehr: „Wann geht’s los?“ – sondern: „Wie baue ich Vertrauen auf?“

🔹 Ich achte auf Rituale und Gesten.
Ob Teezeremonie oder Familienthema – das „Drumherum“ ist oft das Entscheidende.

🔹 Ich lasse kulturelle Unterschiede stehen.
Ich erkläre nicht, warum „wir das anders machen“, sondern beobachte, wie es dort funktioniert.

🔹 Ich investiere in Übersetzer – nicht nur sprachlich, sondern kulturell.
Ein lokaler Partner, der kulturelle Signale deuten kann, ist Gold wert.

🔹 Ich plane mit Raum für das Ungeplante.
Denn die besten Gespräche entstehen oft da, wo keine Agenda mehr gilt.


Für wen das relevant ist

Dieser Beitrag richtet sich nicht nur an Geschäftsleute mit Saudi-Erfahrung. Sondern an alle, die mit Kulturen arbeiten, die nicht der eigenen gleichen.

Ob Family Offices, Investoren, Mittelständler oder Projektentwickler – wer global denkt, muss lokal handeln.
Und lokal handeln heißt: sich auf den anderen wirklich einzulassen.

Nicht als Strategie. Sondern als Haltung.


Fazit

Business in Saudi-Arabien ist kein Plan – es ist ein Prozess. Kein Sprint, sondern ein Weg.

Wer bereit ist, diesen Weg mit Respekt, Geduld und echter Neugier zu gehen, wird mehr finden als nur Geschäft.
Er wird lernen, wie Vertrauen entsteht. Und wie tief die Verbindung zwischen Herkunft und Zukunft sein kann – wenn man bereit ist, beides zu sehen.

Und manchmal beginnt dieser Weg eben in einem Zelt in der Wüste.

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen: www.vonbismarck-x.com