Geteilte Verantwortung – geteiltes Risiko?

Auch wer nicht „zuständig“ ist, haftet: Mitgeschäftsführer in GmbHs tragen in der Insolvenz ein hohes Risiko – oft unterschätzt. So schützt man sich.

Geteilte Verantwortung – geteiltes Risiko?
Sven von Bismarck

Die stille Gefahr für Mitgeschäftsführer in der Insolvenz

In vielen Unternehmen ist eine mehrköpfige Geschäftsführung längst gelebte Praxis. Die Arbeit wird aufgeteilt, Kompetenzen werden gebündelt, und im Idealfall ergänzt man sich gegenseitig. Wer sich mit jemandem die Leitung einer GmbH teilt, verbindet das oft mit Vertrauen, Effizienz und klarer Rollenverteilung.

Doch genau in dieser Konstellation lauert eine unterschätzte Gefahr – und zwar dann, wenn die Gesellschaft in wirtschaftliche Schieflage gerät. Denn in der Insolvenz wird aus geteilter Verantwortung oft gemeinsames Risiko. Und das kann persönlich teuer werden.

Geschäftsführung in der Krise: Rechtlich ein Risiko, das man kennen sollte

Die Geschäftsführung einer GmbH ist rechtlich nicht einfach ein „Jobprofil“ – sie ist eine rechtliche Funktion mit hoher persönlicher Haftung. Das gilt nicht nur für eigenes Handeln, sondern auch für das Unterlassen notwendiger Maßnahmen – insbesondere bei finanzieller Schieflage.

Kommt es zur Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, sind die Geschäftsführer gesetzlich verpflichtet, ohne schuldhaftes Zögern – spätestens aber binnen drei Wochen – einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a InsO). Diese Pflicht ist nicht delegierbar. Und genau das wird vielen erst im Ernstfall schmerzhaft bewusst.

Was viele Geschäftsführer nicht bedenken: Diese Pflicht trifft jeden in der Geschäftsführung – unabhängig davon, ob man sich im Alltag vorrangig um Finanzen, Vertrieb oder HR kümmert.

Die Delegationsfalle: Wer nicht hinschaut, haftet trotzdem

In der Praxis hat sich in vielen Unternehmen eine funktionale Arbeitsteilung etabliert. Einer ist „der Finanzmann“, der andere kümmert sich um Produkte, ein Dritter um das operative Geschäft. Das kann im Alltag sehr effizient sein – doch es schützt nicht vor persönlicher Haftung.

Denn die Gerichte sind in ihrer Rechtsprechung eindeutig: Jeder Geschäftsführer ist verpflichtet, sich selbst ein eigenes Bild von der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft zu verschaffen. Wer sich blind auf den Kollegen verlässt, riskiert eine persönliche Inanspruchnahme – und das nicht nur moralisch, sondern auch finanziell.

Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife noch geleistet werden – z. B. Löhne, Lieferantenrechnungen oder Miete – können zu einer persönlichen Haftung führen. Das bedeutet: Auch wer sich gar nicht bewusst war, dass bereits eine Insolvenzreife eingetreten ist, kann für solche Zahlungen haften – allein deshalb, weil er sich nicht informiert hat.

Ein Fall aus der Praxis: Vertrauen, das zur Haftung wurde

Ich selbst habe ein Unternehmen begleitet, in dem genau dieser Fall eingetreten ist. Zwei Geschäftsführer führten das Unternehmen – einer verantwortete die Finanzen, der andere das operative Geschäft. Die Arbeitsteilung war klar geregelt und wurde von beiden Seiten geschätzt.

Als die wirtschaftliche Lage sich verschlechterte, blieb die notwendige Konsequenz aus. Der „Finanz-Geschäftsführer“ hatte Hinweise auf Liquiditätsprobleme, reagierte aber nicht entschlossen. Der zweite Geschäftsführer – aus dem Tagesgeschäft heraus – war zwar irritiert, hakte aber nicht konsequent nach. Er vertraute darauf, dass sein Kollege die Lage im Griff habe.

Als schließlich ein Insolvenzantrag gestellt wurde, war die gesetzliche Drei-Wochen-Frist bereits deutlich überschritten. Es folgte eine persönliche Inanspruchnahme – gegen beide. Auch der operativ tätige Geschäftsführer wurde zur Verantwortung gezogen. Nicht, weil er aktiv etwas falsch gemacht hatte, sondern weil er nichts getan hatte, obwohl er Hinweise hätte erkennen können – und müssen.

Diese Erfahrung war für alle Beteiligten bitter. Sie hat mir aber einmal mehr vor Augen geführt: In der Geschäftsführung einer GmbH gibt es keine "blinden Flecken". Wer mitverantwortlich ist, muss auch mitprüfen. Vertrauen ist gut – dokumentierte Kontrolle ist besser.

Die juristische Grundlage: § 15a InsO und § 64 GmbHG (bzw. § 43 GmbHG a.F.)

Die rechtlichen Risiken für Geschäftsführer in der Insolvenz sind vielfältig. Im Zentrum stehen zwei wesentliche Haftungsnormen:

  1. § 15a InsO: Die Pflicht zur rechtzeitigen Insolvenzanmeldung bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.
  2. § 64 GmbHG a.F. (heute § 15b InsO i.V.m. § 43 GmbHG): Die Haftung für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife.

Diese Vorschriften greifen auch dann, wenn ein Geschäftsführer glaubt, nicht „zuständig“ gewesen zu sein. Die Gerichte stellen auf den objektiven Pflichtverstoß ab – und der liegt oft bereits in der mangelnden Information oder unterlassenen Prüfung.

Hinzu kommt: Im Falle der Insolvenz prüft der Insolvenzverwalter regelmäßig, ob Zahlungen nach Insolvenzreife erfolgt sind – und ob diese zu einer Schmälerung der Insolvenzmasse geführt haben. Dann wird auf persönliche Rückzahlung geklagt. Das kann – gerade bei längeren Übergangszeiten – schnell zu sechsstelligen Summen führen.

Frühwarnsysteme und Schutzmechanismen: Was Geschäftsführer tun können

Doch es gibt auch gute Nachrichten. Wer sich als Geschäftsführer seiner Verantwortung bewusst ist, kann sich gezielt schützen – und zwar durch aktives Handeln, Dokumentation und klare Prozesse.

Hier die wichtigsten Maßnahmen:

1. Transparente Kommunikation auf Geschäftsführungsebene

Gerade bei mehreren Geschäftsführern ist es essenziell, regelmäßig über die wirtschaftliche Lage zu sprechen. Ein monatliches Jour Fixe, in dem insbesondere Liquidität, Zahlungspflichten und Engpässe thematisiert werden, ist Pflicht – nicht Kür.

2. Einführung und Kontrolle interner Frühwarnsysteme

Liquiditätsplanung, OP-Listen, Forecasts und Liquiditätsstatus sollten regelmäßig aktualisiert und gemeinsam besprochen werden. Auch externe Warnsignale (z. B. Mahnungen, Rücklastschriften, Lieferstoppandrohungen) sind ernst zu nehmen.

3. Dokumentation des eigenen Handelns

Wer Hinweise auf wirtschaftliche Risiken erkennt, sollte nicht nur handeln, sondern dies auch nachvollziehbar dokumentieren – z. B. durch Memos, E-Mails an Kollegen, Gesprächsnotizen oder Protokolle. Diese Dokumentation kann im Ernstfall entscheidend sein, um die eigene Sorgfaltspflicht nachzuweisen.

4. Einfordern von Klarheit – notfalls mit externer Unterstützung

Wenn ein Mitgeschäftsführer ausweichend oder beschwichtigend reagiert, sollten Alarmglocken schrillen. Es ist nicht übertrieben, in solchen Fällen auch externe Berater hinzuzuziehen – sei es zur Prüfung der Insolvenzantragspflicht oder zur Erstellung eines Sanierungskonzepts (z. B. nach IDW S6).

5. Absicherung durch D&O-Versicherungen

Directors & Officers Versicherungen bieten im Idealfall einen gewissen Schutz vor Haftungsansprüchen – allerdings nur bei fahrlässigem Verhalten und nur bei rechtzeitiger Information des Versicherers. Die Bedingungen sollten regelmäßig geprüft und im Zweifel angepasst werden.

Die emotionale Dimension: Was die Haftung mit Menschen macht

Die persönliche Haftung eines Geschäftsführers ist nicht nur ein finanzielles Risiko – sie ist auch ein emotionaler Einschnitt. Wer sich in seiner Rolle engagiert, loyal gegenüber dem Team handelt und dennoch in eine Haftungsfalle gerät, fühlt sich oft ungerecht behandelt.

In meiner Beratungspraxis erlebe ich immer wieder, wie sehr solche Situationen an den Betroffenen nagen: Angst, Schuldgefühle, Vertrauensverlust – aber auch Scham gegenüber Mitarbeitenden oder der Familie.

Deshalb ist Prävention nicht nur juristisch sinnvoll, sondern auch menschlich wichtig. Geschäftsführung heißt, Verantwortung zu übernehmen – für das Unternehmen, aber auch für sich selbst.

Fazit: Verantwortung ist unteilbar – auch wenn man sie teilt

Die gemeinsame Geschäftsführung einer GmbH bietet viele Vorteile. Aber sie entbindet keinen einzelnen Geschäftsführer von seiner persönlichen Pflicht zur Kontrolle, Aufsicht und rechtzeitigen Reaktion.

Wer sich zurücklehnt, weil „der Kollege schon Bescheid weiß“, riskiert nicht nur finanzielle Schäden – sondern auch seine berufliche Reputation.

Deshalb mein Rat:

🔹 Bleiben Sie wachsam.
🔹 Sprechen Sie Klartext – auch intern.
🔹 Dokumentieren Sie Ihre Hinweise und Maßnahmen.
🔹 Lassen Sie sich frühzeitig beraten – nicht erst, wenn es brennt.

Denn Insolvenz ist keine Schande – aber verspätete Reaktion ist ein Fehler. Und in der Geschäftsführung ist es nicht entscheidend, wer die Verantwortung trägt, sondern wer sie übernimmt.


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