Insolvenzen steigen – aber das eigentliche Risiko ist Abwarten

Die Insolvenzen nehmen weiter zu. Doch das wahre Risiko liegt im Zögern. Wer jetzt nicht handelt, verschenkt wertvolle Zeit. Dieser Beitrag zeigt, was Unternehmen jetzt konkret tun können – und warum der Weg aus der Krise oft früher beginnt als gedacht.

Insolvenzen steigen – aber das eigentliche Risiko ist Abwarten
Sven von Bismarck

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland steigt – das ist bekannt. Doch das eigentliche Risiko liegt nicht in der Statistik, sondern im Verhalten vieler Unternehmer: Sie warten ab. Sie hoffen. Und sie verlieren Zeit.

In diesem Beitrag zeige ich, was die aktuellen Insolvenzzahlen wirklich bedeuten, welche Branchen besonders gefährdet sind – und vor allem: warum jetzt Handeln gefragt ist. Nicht hektisch, sondern gezielt. Nicht aus Angst, sondern aus Weitsicht.


1. Die Zahlen: Ein Anstieg mit Ansage

Wer dieser Tage auf die wirtschaftlichen Kennzahlen blickt, erkennt ein gemischtes Bild: Die Konjunktur stagniert, die Zinsen bleiben hoch, die Konsumlaune verhalten. Und die Zahl der Unternehmensinsolvenzen? Sie steigt weiter – wenn auch langsamer.

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis, Pressemitteilung Nr. 141 vom 11. April 2025) wurden im März 5,7 % mehr Regelinsolvenzen beantragt als im Vorjahresmonat. Das ist der erste einstellige Zuwachs seit dem Sommer 2024 – und dennoch kein Anlass zur Entwarnung. Denn hinter diesen Zahlen steckt eine Dynamik, die viele Unternehmer unterschätzen:

  • Die Pandemie-Nachholeffekte sind weitgehend verpufft.
  • Staatliche Hilfen laufen aus.
  • Die Kreditvergabe bleibt restriktiv.
  • Margen geraten unter Druck – durch steigende Energie-, Personal- und Beschaffungskosten.

Der sanftere Anstieg ist kein Zeichen für Entspannung. Er zeigt nur: Die Welle rollt kontrollierter – aber sie rollt weiter.


2. Wo es besonders kritisch ist: Branchen unter Druck

Ein genauer Blick auf die Branchenlage offenbart, wie ungleich die Risiken verteilt sind. Besonders betroffen sind:

🚚 Verkehr und Lagerei

9,2 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen
Hohe Energiekosten, ein starker Wettbewerb und Engpässe in der Infrastruktur machen vielen Betrieben das Leben schwer. Kleinere Spediteure und Logistiker haben oft kaum Puffer, um länger durchzuhalten.

🧱 Baugewerbe

7,9 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen
Was jahrelang als Boom-Branche galt, gerät zunehmend in Schieflage: Stagnierende Aufträge im Wohnungsbau, steigende Zinsen, zurückhaltende Finanzierungen. Vor allem Projektentwickler mit hohen Vorlaufkosten kämpfen ums Überleben.

🧾 Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen

7,9 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen
Hierzu zählen unter anderem Personaldienstleister, Reinigungsunternehmen und Veranstaltungsagenturen. Viele dieser Betriebe sind stark von externen Konjunkturzyklen abhängig – und verfügen oft über geringe Eigenkapitalquoten.

Der gemeinsame Nenner dieser Branchen? Sie alle leiden unter einem Mix aus externem Druck (Kosten, Nachfrage, Finanzierung) und interner Verwundbarkeit (geringe Resilienz, hohe Fixkosten, knappe Liquidität).


3. Warum Abwarten so gefährlich ist

Viele Unternehmer verfallen in Krisenzeiten in eine bekannte Falle: Sie hoffen auf bessere Zeiten. Doch Hoffnung ist keine Strategie – vor allem nicht, wenn sich strukturelle Veränderungen längst abzeichnen.

Drei typische Reaktionsmuster, die ich in der Praxis beobachte:

  • „Wir schauen mal, wie sich das entwickelt.“
    Verlust wertvoller Reaktionszeit.
  • „Wir wollen unsere Mitarbeiter nicht verunsichern.“
    Keine interne Kommunikation – keine Mobilisierung.
  • „Wir machen erstmal so weiter wie bisher.“
    Verstetigung des Problems – statt Lösung.

Dabei gäbe es Alternativen. Und zwar solche, die nicht erst greifen, wenn das Wasser bis zum Hals steht.


4. Was jetzt zu tun ist – konkret und pragmatisch

Handlungsfähigkeit entsteht nicht durch Größe oder Branchenlage. Sie entsteht durch Klarheit und Mut zur Entscheidung. Drei Schritte helfen besonders, um als Unternehmer in der aktuellen Situation nicht nur zu überleben, sondern zu gestalten:

1. Frühwarnsysteme etablieren

🔍 Transparenz statt Überraschung

Wer seine Zahlen nicht kennt, kann keine fundierten Entscheidungen treffen.
Mein Rat: Etablieren Sie ein regelmäßiges, monatliches Reporting mit Fokus auf:

  • Liquidität (kurz- und mittelfristig)
  • Auftragseingang und Deckungsbeitrag
  • Working Capital und Zahlungsziele
  • Finanzierungslage und Bankenspiegel

Nutzen Sie Ampelsysteme und Sensitivitätsanalysen – nicht als Selbstzweck, sondern als Kompass.

2. Liquidität sichern

💧 Ohne Cash keine Strategie

In der Krise ist Liquidität nicht alles – aber ohne Liquidität ist alles nichts.
Empfehlenswerte Maßnahmen:

  • Aktives Forderungsmanagement (z. B. durch Factoring oder Mahnwesen-Optimierung)
  • Verhandlungen mit Lieferanten über Zahlungsziele
  • Aufbau eines Liquiditätspuffers (auch über Mezzanine oder Brückenfinanzierungen)
  • Temporäre Reduktion nicht betriebsnotwendiger Ausgaben

Viele Unternehmer scheuen das Gespräch mit Gläubigern oder Kunden. Doch meine Erfahrung zeigt: Wer rechtzeitig transparent kommuniziert, schafft Vertrauen – und Spielräume.

3. Restrukturierung ernsthaft prüfen

🛠️ StaRUG statt Insolvenzverfahren

Seit 2021 gibt es mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) ein leistungsfähiges Instrument, um außerhalb eines Insolvenzverfahrens verbindliche Maßnahmen umzusetzen.
Vorteile:

  • Gläubiger können in Gruppen eingebunden werden
  • Keine Veröffentlichung wie bei der Insolvenz
  • Geschäftsführung bleibt im Amt
  • Finanzierungslösungen (z. B. Haircuts oder Stillhalteabkommen) werden erleichtert

Doch Achtung: StaRUG ist kein Allheilmittel. Es wirkt nur, wenn noch genug Zeit und Handlungsspielraum vorhanden sind. Wer zu spät kommt, kann es nicht mehr nutzen.


5. Was ich aus der Praxis mitnehme

Ich habe in den letzten Jahren viele Unternehmer begleitet – vom inhabergeführten Traditionsbetrieb bis zur kapitalmarktorientierten Unternehmensgruppe. Eines hat sich immer wieder gezeigt:

Krise ist keine Frage der Bilanz – sondern der Haltung.

Wer rechtzeitig erkennt, wo es klemmt, wer die eigenen Stärken nüchtern einschätzt und sich Unterstützung holt, erhöht seine Überlebenswahrscheinlichkeit signifikant.
Und wer dabei auf die richtigen Partner setzt – keine Schönredner, sondern konstruktive Sparringspartner –, schafft oft mehr als gedacht.

Ein persönliches Beispiel:
Ein mittelständisches Familienunternehmen aus dem Maschinenbau hatte 2023 mit drastisch sinkender Nachfrage zu kämpfen. Die Eigentümer wollten abwarten. Nach einem gemeinsamen Workshop haben wir innerhalb von vier Wochen ein Frühwarnsystem eingeführt, das Working Capital um 18 % verbessert und eine Brückenfinanzierung mit Bestandskunden vereinbart. 2024 wurde das Unternehmen bei stabilisierten Umsätzen wieder profitabel.

Was war der entscheidende Faktor? Mut zur Ehrlichkeit. Und die Bereitschaft, sich selbst infrage zu stellen – bevor es andere tun.


6. Fazit: Jetzt ist die Zeit zu handeln

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Die Krise ist da – aber sie muss nicht das Ende sein. Wer heute gezielt handelt, kann morgen besser dastehen. Nicht alle Risiken lassen sich vermeiden. Aber viele lassen sich gestalten.

Mein Appell an Unternehmerinnen und Unternehmer:

  • Warten Sie nicht auf bessere Zeiten.
  • Reden Sie offen – intern und extern.
  • Machen Sie Ihr Unternehmen handlungsfähig.

Wenn Sie Sparring, Impulse oder konkrete Unterstützung brauchen, bin ich gern an Ihrer Seite. Ich weiß, wie schwierig es sein kann, die Dinge offen anzusprechen. Aber ich weiß auch: Es lohnt sich. Immer.

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen: www.vonbismarck-x.com