Liquiditätskrise: Was tun, wenn das Geld knapp wird?

Viele Unternehmen geraten trotz voller Auftragsbücher in Liquiditätsnot. Dieser Beitrag zeigt, woran man eine Krise früh erkennt – und wie man strukturiert gegensteuert, bevor es zu spät ist.

Liquiditätskrise: Was tun, wenn das Geld knapp wird?
Sven von Bismarck

Starke Umsätze und volle Auftragsbücher vermitteln oft ein trügerisches Gefühl von Sicherheit. Doch viele Unternehmen geraten genau dann in Schwierigkeiten, wenn sie eigentlich gut dastehen – weil es an einem entscheidenden Punkt hapert: der Liquidität.

In meiner Arbeit mit mittelständischen Unternehmen sehe ich immer wieder dasselbe Phänomen: Auf dem Papier ist alles in Ordnung – stabile Margen, gute Auftragseingänge, Auslastung auf Monate hinaus. Und trotzdem geraten Firmen in ernsthafte Schieflagen. Der Grund? Liquidität fehlt.

Dabei ist die Zahlungsfähigkeit nicht nur eine betriebswirtschaftliche Kennzahl. Sie ist das Überlebenselixier eines Unternehmens. Wer seine Rechnungen nicht mehr zahlen kann, verliert zuerst Vertrauen – und dann oft sehr schnell die Kontrolle.

In diesem Beitrag zeige ich auf:

  • Was eine Liquiditätskrise eigentlich ist
  • Woran man sie früh erkennt
  • Welche typischen Ursachen ihr zugrunde liegen
  • Was im Ernstfall konkret zu tun ist
  • Wie man nachhaltig vorsorgt

Was ist eine Liquiditätskrise?

Eine Liquiditätskrise liegt dann vor, wenn ein Unternehmen seinen kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr fristgerecht nachkommen kann. Das betrifft vor allem:

  • Lieferantenrechnungen
  • Gehälter und Löhne
  • Steuerzahlungen und Sozialabgaben
  • Miet-, Leasing- und Kreditverpflichtungen

Wichtig: Die Bilanz eines Unternehmens kann in dieser Situation dennoch gut aussehen. Solange Außenstände, Lagerbestände oder andere Vermögenswerte vorhanden sind, wird bilanziell vielleicht sogar ein Gewinn ausgewiesen. Doch Liquidität ist kein Bilanzposten – sie entscheidet sich allein an der Frage: Ist ausreichend Geld auf dem Konto, um die fälligen Zahlungen zu bedienen?


Frühwarnzeichen erkennen: Diese Symptome deuten auf Liquiditätsprobleme hin

Eine Krise kündigt sich meist nicht über Nacht an. Typische Anzeichen sind:

🔸 Mahnungen von Lieferanten oder Dienstleistern
🔸 Verzögerte Gehaltszahlungen
🔸 Verspätete Abführung von Sozialabgaben oder Umsatzsteuer
🔸 Engpässe im Tagesdispositionskredit
🔸 Rücklastschriften und geplatzte Zahlungen
🔸 Stornierungen oder Kürzungen von Kreditlinien durch die Bank
🔸 Plötzlicher Druck von Steuerberater oder Controlling

Ab einem bestimmten Punkt wird es auch rechtlich heikel:
Nach § 17 InsO (Insolvenzordnung) liegt eine Zahlungsunfähigkeit vor, wenn das Unternehmen nicht mehr in der Lage ist, 90 % seiner fälligen Verbindlichkeiten innerhalb von drei Wochen zu begleichen. Ab diesem Zeitpunkt hat die Geschäftsführung drei Wochen Zeit, einen Insolvenzantrag zu stellen. Wer das unterlässt, macht sich zivilrechtlich haftbar – und riskiert strafrechtliche Konsequenzen.


Ursachen einer Liquiditätskrise – oft banal, aber gefährlich in Kombination

Die Gründe für akute Engpässe sind meist nicht spektakulär – aber sie wirken kumulativ. Besonders häufig:

💸 Verspätete Zahlungen von Kunden
Ein einziger Großkunde, der 30 Tage zu spät zahlt, kann das gesamte System ins Wanken bringen.

🏦 Überlastete oder gekündigte Kreditlinien
Banken reagieren sensibel – besonders bei angespannten Ratings oder Branchenrisiken.

⚙️ Ungeplante Sonderausgaben
Reparaturen, Steuernachzahlungen oder Schadenersatzforderungen können Liquiditätsreserven über Nacht auffressen.

📦 Zu hohe Lagerbestände oder Forderungsreichweiten
Working Capital ist gebundenes Kapital – wer hier keine Steuerung hat, verliert Handlungsspielraum.

📉 Fehlinvestitionen
Gerade im Aufschwung investieren Unternehmen gerne – oft zu früh, zu groß oder ohne Puffer.

📊 Mangelhafte Liquiditätssteuerung
Wenn Zahlungen nicht vorausschauend geplant werden, reichen selbst solide Margen nicht aus.


Einblick aus der Praxis

Ein besonders eindrücklicher Fall stammt aus meiner Begleitung eines produzierenden Unternehmens mit rund 180 Mitarbeitenden. Die Auftragslage war gut, die Auslastung lag bei 95 %, das Vertrauen in die Zukunft war groß. Doch: Die Kunden zahlten mit 60 bis 90 Tagen Verzug – gleichzeitig stiegen Einkaufspreise und Löhne.

Was folgte, war ein gefährlicher Spagat: Zwischen Vorfinanzierung von Aufträgen, Lieferantenforderungen und den eigenen Fixkosten. Innerhalb weniger Wochen drohte die Zahlungsunfähigkeit.

Unser Vorgehen:

  1. Sofortige Liquiditätsübersicht
  2. Eskalation im Forderungsmanagement
  3. Aktive Gespräche mit Hausbank und Lieferanten
  4. Einführung eines 12-Monats-Liquiditätsplans
  5. Einrichtung eines wöchentlichen Cash-Kontroll-Boards

Das Ergebnis:
Nach 10 Wochen war das Unternehmen wieder stabil. Die Mitarbeitenden zogen mit, die Bank verlängerte die Linie – und das Vertrauen war zurück. Diese Erfahrung hat mir erneut gezeigt: Es geht – wenn man früh handelt.


Was tun im Ernstfall? Die 6 wichtigsten Schritte

Sobald die ersten Anzeichen auftreten, gilt: Handeln statt hoffen. Ein klarer Maßnahmenplan ist entscheidend.

1. Sofortige Liquiditätsanalyse

  • Aktuelle Übersicht aller Kontostände, Verbindlichkeiten und offenen Forderungen
  • Priorisierung nach Fälligkeit und Wichtigkeit
  • Ermittlung kurzfristiger Liquiditätsreserven (z. B. Lagerverkäufe, stille Reserven)

2. Aktives Forderungsmanagement

  • Beschleunigung des Mahnwesens
  • Persönliche Kontaktaufnahme zu Schuldnern
  • Anbieten von Skonti oder Boni bei Sofortzahlung
  • Ratenzahlungsvereinbarungen verhandeln

3. Kosten und Ausgaben straffen

  • Sofortstopp für alle nicht zwingend notwendigen Ausgaben
  • Überprüfung von Leasing-, Miet- und Wartungsverträgen
  • Freigabeprozesse verschärfen
  • Kurzfristige Einsparpotenziale realisieren (z. B. Dienstleisterverträge pausieren)

4. Verhandlungen mit Gläubigern und Finanzierungspartnern

  • Gespräche mit Lieferanten über verlängerte Zahlungsziele
  • Kontakt zur Bank über Zwischenfinanzierungen
  • Stundungsanträge bei Finanzamt und Sozialversicherungsträgern

Wichtig: Offenheit zahlt sich aus – wer aktiv kommuniziert, schafft Vertrauen.

5. Frühzeitige Kommunikation intern & extern

  • Transparente Information gegenüber Schlüsselpersonen (Mitarbeitende, Betriebsrat, Steuerberater)
  • Beruhigung statt Gerüchte
  • Kommunikationsstrategie gegenüber Kunden (keine Panik, aber glaubwürdige Erklärung von Lieferverzögerungen o. Ä.)

6. Nachhaltige Liquiditätsplanung

  • Rollierender Liquiditätsplan für mindestens 6 bis 12 Monate
  • Einbindung der Planung in das tägliche Reporting
  • Regelmäßige Plan-Ist-Abgleiche
  • Aufbau eines Puffers für unvorhergesehene Ereignisse

Liquiditätssteuerung ist Führungsaufgabe

Oft wird Liquidität als „Sache der Buchhaltung“ betrachtet. Doch in der Krise zeigt sich: Liquiditätsmanagement ist Chefsache. Es erfordert klare Entscheidungen, Prioritäten und Führung. Dazu gehört auch:

  • Eine offene Fehlerkultur im Management
  • Die Fähigkeit, sich externen Rat zu holen
  • Und der Mut, unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen

Aus der Krise lernen: Was Sie dauerhaft ändern sollten

Eine überstandene Liquiditätskrise ist kein Grund zur Entwarnung – sondern zur Transformation. Wer nachhaltig erfolgreich sein will, sollte:

Liquidität regelmäßig im Führungsteam besprechen
Ein Frühwarnsystem etablieren (Kennzahlen, Szenarien)
Forderungsreichweiten und Lagerbestände aktiv steuern
Transparenz bei Zahlungsströmen schaffen
Puffer aufbauen – auch wenn es „gerade läuft“

Denn die Wahrheit ist: Nicht Umsatz rettet Unternehmen – sondern Liquidität.


Fazit: Liquiditätsprobleme sind lösbar – wenn man rechtzeitig handelt

Eine Liquiditätskrise ist kein Zeichen von Inkompetenz. Sie ist ein Ausdruck fehlender Transparenz oder unglücklicher Umstände – manchmal auch beidem. Entscheidend ist:

  • Frühzeitiges Erkennen
  • Konsequentes Handeln
  • Offene Kommunikation
  • Und: Keine Angst, sich Unterstützung zu holen

Denn am Ende gilt:
💡 Liquidität ist der Treibstoff jedes Unternehmens. Ohne sie nützt selbst der stärkste Motor nichts.

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen: www.vonbismarck-x.com