Unternehmenskrisen: Warum sie passieren – und wie wir sie meistern können

Unternehmenskrisen entstehen oft schleichend. In diesem Beitrag zeige ich typische Krisenphasen – und was Unternehmen tun können, um gegenzusteuern und neue Stärke zu entwickeln.

Unternehmenskrisen: Warum sie passieren – und wie wir sie meistern können
Sven von Bismarck

Krisen kommen selten über Nacht – aber oft zu spät ins Bewusstsein

Krisen wirken oft wie plötzliche Erschütterungen – doch ihre Wurzeln reichen meist tiefer. Ein rückläufiger Umsatz, gestiegene Kosten, erste Mahnungen oder der Abgang wichtiger Mitarbeitender sind selten die Ursache, sondern die Symptome eines längeren Prozesses. Viele Unternehmenslenker erleben diesen Moment wie einen Schock: „Das kam aus dem Nichts.“

Aber die Wahrheit ist: Die meisten Krisen kündigen sich lange vorher an – leise, schleichend, mehrdeutig. Und doch werden sie häufig übersehen, verdrängt oder zu spät ernst genommen.

Entscheidend ist daher nicht das „Ob“, sondern das „Wann“ und „Wie“ ein Unternehmen reagiert. In diesem Beitrag zeige ich, wie sich Unternehmenskrisen typischerweise entwickeln, welche Phasen sie durchlaufen – und mit welchen Maßnahmen man in jeder dieser Phasen sinnvoll gegensteuern kann. Dabei schöpfe ich aus über zehn Jahren Erfahrung in Turnaround-Projekten, aus gescheiterten Restrukturierungen und erfolgreichen Sanierungen.


Die vier Phasen einer Unternehmenskrise – und was in jeder zählt

In der Praxis zeigt sich ein immer wiederkehrender Verlauf von Unternehmenskrisen. Wer diesen Verlauf kennt, kann Risiken früher erkennen, wirksamer gegensteuern – und handlungsfähig bleiben.

1. Strategische Krise – Der leise Beginn

Noch schreibt das Unternehmen schwarze Zahlen, aber etwas beginnt zu kippen. Die Wettbewerbsfähigkeit lässt nach. Innovationen versanden. Kundenorientierung wird durch Verwaltungsroutine ersetzt. Die Strategie passt nicht mehr zur Marktlogik – oder sie wird gar nicht mehr aktiv gelebt.

Typische Symptome:

  • Rückläufige oder stagnierende Marktanteile
  • Verlust an Differenzierung
  • Überalterte Produkte oder Dienstleistungen
  • Interner Stillstand bei Zukunftsinitiativen

Was jetzt zählt:
Eine ehrliche, schonungslose Bestandsaufnahme. Welche Märkte entwickeln sich – und wohin? Wo liegen blinde Flecken in der Strategie? Welche internen Reflexe verhindern Anpassung? In dieser Phase entscheidet sich, ob ein Unternehmen Transformation als Chance begreift – oder den Anschluss verliert.

„Wer in dieser Phase aktiv wird, hat den größten Handlungsspielraum – und die besten Chancen auf eine wirkliche Kurskorrektur.“

2. Ergebniskrise – Wenn der Druck steigt

Wird die strategische Krise nicht erkannt oder ignoriert, schlägt sie sich irgendwann in den Zahlen nieder. Die Margen sinken, das EBIT rutscht ab, Budgets werden verfehlt – und intern wächst die Nervosität. Die Organisation beginnt, sich selbst zu lähmen: Entscheidungen verzögern sich, Silos entstehen, Fingerpointing ersetzt Verantwortung.

Anzeichen:

  • Operative Marge sinkt stetig
  • Deutliche Abweichungen zu Forecasts
  • Verlustbringer werden nicht konsequent gestoppt
  • Projektstaus und Ressourcenvergeudung

Handlungsbedarf:
Jetzt braucht es Tempo und Fokus. Die operative Exzellenz gehört in den Vordergrund – von Einkauf bis Pricing. Quick Wins können helfen, die Richtung zu stabilisieren. Wichtig: Die Ursachen müssen analysiert und klar benannt werden. Wer in dieser Phase weiter beschönigt oder nur Symptome behandelt, verspielt wertvolle Zeit.

„Ich habe Unternehmen erlebt, die allein durch operative Klarheit zurück in die Spur gefunden haben. Aber es braucht den Mut, Gewohntes infrage zu stellen.“

3. Liquiditätskrise – Der Ernstfall

Wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wurde, wird die Krise zur akuten Bedrohung. Der Cashflow reicht nicht mehr aus, um alle Zahlungsverpflichtungen zu bedienen. Banken fragen nach Sicherheiten, Lieferanten verlangen Vorkasse, das Vertrauen schwindet.

Typische Warnsignale:

  • Wiederholte Zahlungsverzögerungen
  • Ausschöpfung von Kreditlinien ohne Strategie
  • Fehlende wöchentliche Liquiditätsplanung
  • Überfällige Steuerschulden oder Sozialabgaben

Was jetzt zählt:
Sofortige Transparenz über alle Zahlungsströme. Eine Liquiditätsvorschau auf Tages- oder Wochenbasis. Klare Priorisierung: Welche Zahlungen sind existenziell, welche verhandelbar? Parallel dazu: Gespräche mit Banken, Gläubigern und gegebenenfalls Lieferanten – immer mit einem belastbaren Fahrplan im Gepäck. Der Handlungsspielraum ist jetzt begrenzt, aber er existiert noch.

„In der Liquiditätskrise zeigt sich, wie handlungsfähig ein Management wirklich ist. Nicht Panik hilft – sondern Klarheit, Pragmatismus und Kommunikation.“

4. Insolvenzreife – Jetzt ist das Gesetz am Zug

Wenn die Zahlungsunfähigkeit (§17 InsO) oder Überschuldung (§19 InsO) eingetreten ist, endet die unternehmerische Freiheit. Jetzt greift das Insolvenzrecht – und die Geschäftsleitung trägt persönliche Verantwortung. Wer jetzt zögert, riskiert nicht nur das Unternehmen, sondern auch die eigene Haftung.

Was jetzt zu tun ist:

  • Prüfung der Insolvenzreife durch Fachanwälte
  • Evaluierung von Alternativen (z. B. Eigenverwaltung, Schutzschirm)
  • Einbindung von Sanierungsexperten, ggf. IDW S6-Gutachten
  • Kommunikation mit Gesellschaftern, Beirat und Aufsichtsgremien

Der Wendepunkt:
In dieser Phase entscheidet sich, ob noch eine Sanierung im Schutzschirmverfahren möglich ist – oder ob die geordnete Abwicklung die letzte Option ist. Beides ist kein Untergang, aber beides verlangt professionelle Steuerung.

„Auch eine Insolvenz kann der Beginn von etwas Neuem sein – wenn man sie aktiv gestaltet.“

Was Unternehmen in die Krise bringt – und wie man sie wieder verlässt

Jede Krise ist individuell. Und doch zeigen sich wiederkehrende Muster:

Häufige Ursachen:

  • Fehlende strategische Weiterentwicklung
  • Finanzielle Überdehnung oder zu hohe Fixkosten
  • Intransparente Steuerungssysteme
  • Externe Schocks (z. B. Pandemie, geopolitische Risiken)
  • Internes Schweigen und Führungsschwäche

Was am Ende zählt, ist nicht das perfekte Maßnahmenpaket – sondern der Mut, früh zu handeln.


Instrumente, die sich bewährt haben – aus der Praxis

In der Begleitung zahlreicher Krisenunternehmen habe ich sechs Instrumente identifiziert, die besonders wirksam sind, wenn sie konsequent und rechtzeitig angewendet werden:

1. Liquiditätsplanung & Cashflow-Management

  • Tägliche oder wöchentliche Planung aller Zahlungsströme
  • Priorisierung nach Dringlichkeit (Mitarbeiter, Miete, Steuern etc.)
  • Aktives Forderungsmanagement, Ratenmodelle, Skonto-Vereinbarungen
  • Gespräche mit Banken zur Überbrückungsfinanzierung
„Oft ist es nicht der Umsatz, der fehlt – sondern der Überblick.“

2. Kostenmanagement mit Fokus

  • Unterscheidung zwischen überlebenswichtigen und verzichtbaren Ausgaben
  • Investitionsstopp für nicht wirksame Maßnahmen
  • Neuverhandlung von Verträgen, Lieferantenkonditionen, Mieten
  • Sensible Prüfung der Personalkosten – mit Weitblick, nicht Aktionismus

3. Operative Quick Wins

  • Fokus auf margenstarke Produkte oder Dienstleistungen
  • Preisanpassungen – mit Strategie statt mit Verzweiflung
  • Kunden gezielt reaktivieren, schnelle Abschlüsse fördern
  • Lagerabbau, Abverkaufsaktionen mit Cashflow-Fokus

4. Strategische Neuausrichtung

  • Geschäftsmodell und Marktposition kritisch hinterfragen
  • Trennung von defizitären Produktlinien
  • Stärkung des Kerngeschäfts
  • Vorbereitung auf eine „Post-Krisen-Welt“

5. Finanzierung & Kapitalbeschaffung

  • Gespräche mit Bestandsbanken und neuen Finanzierungspartnern
  • Nutzung öffentlicher Förderprogramme (z. B. KfW, Bürgschaften)
  • Beteiligungskapital, stille Beteiligungen, Wandeldarlehen prüfen
  • Entwicklung eines professionellen Finanzierungskonzepts mit Szenarien

6. Kommunikation & Stakeholder-Management

  • Klare Kommunikation gegenüber Mitarbeitenden, Kunden und Partnern
  • Frühzeitige Gespräche mit Gläubigern und Investoren
  • Internes Krisenteam bilden, externe Kommunikation bündeln
  • Transparenz erzeugt Vertrauen – und Handlungsspielraum

Fallbeispiel aus meiner Praxis

Ein wachstumsstarkes Dienstleistungsunternehmen geriet unvermittelt in eine Schieflage. Die Umsätze waren stabil – aber die Liquidität schrumpfte rapide. Warum? Eine falsche Projektkalkulation, verspätete Kundenzahlungen und fehlender Überblick über Zahlungsflüsse.

Die größte Gefahr: Keiner sprach Klartext. Die Geschäftsführung zögerte. Erst als wir eine tagesaktuelle Liquiditätsplanung einführten, ein Krisenteam etablierten und aktiv auf Banken und Lieferanten zugingen, wendete sich das Blatt.

Heute steht das Unternehmen stabiler als je zuvor – nicht, weil es keine Probleme gab, sondern weil es den Mut zur Offenheit gefunden hat.


Was ich aus all dem gelernt habe

Krisen sind nicht einfach. Sie tun weh, sie erzeugen Druck, sie stellen alles infrage. Aber sie sind auch Lernräume. Wer sich ihnen stellt – mit Klarheit, mit Mut, mit einem offenen Blick nach außen – kann gestärkt daraus hervorgehen.

Meine fünf Leitsätze für den Umgang mit Unternehmenskrisen:

  1. Nicht leugnen – sondern hinschauen.
  2. Nicht zaudern – sondern entscheiden.
  3. Nicht taktieren – sondern kommunizieren.
  4. Nicht alles allein versuchen – sondern Expertise einholen.
  5. Nicht rückwärts schauen – sondern nach vorn handeln.

Fazit: Die Krise ist kein Ende – sondern oft ein Anfang

Unternehmenskrisen sind Weggabelungen. Sie zeigen uns, wo etwas schiefläuft – und wo Potenzial für Veränderung liegt. Wer sie erkennt, annimmt und aktiv gestaltet, kann nicht nur überleben – sondern in eine neue Stärke hineinwachsen.

Wenn Sie merken, dass sich in Ihrem Unternehmen etwas verschiebt – aber nicht sicher sind, wo Sie stehen:
Schreiben Sie mir direkt an contact@vonbismarck-x.com. Ich melde mich persönlich.

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen: www.vonbismarck-x.com