Wenn das Wasser steigt … greift das StaRUG?

Das StaRUG soll Unternehmen retten, bevor es zu spät ist – doch in der Praxis bleibt es oft ein Papiertiger. Warum das Gesetz dennoch Potenzial hat und was Unternehmer, Berater und Investoren daraus machen können.

Wenn das Wasser steigt … greift das StaRUG?

Wie ein Gesetz zur frühzeitigen Sanierung mehr bewirken könnte – und warum es (noch) selten gelingt.

Früh erkennen, klug handeln – eigentlich.

Stellen Sie sich vor: Ein Unternehmer erkennt, dass sein Geschäftsmodell unter Druck gerät. Nicht erst kurz vor der Zahlungsunfähigkeit, sondern rechtzeitig. Er sucht Rat, entwickelt mit einem Berater einen Plan – und kann mit Gläubigern Lösungen finden, bevor es zu spät ist.

Genau dieses Szenario will das StaRUG ermöglichen. Seit Anfang 2021 ist das „Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz“ in Kraft. Es gilt als Meilenstein – und bleibt in der Praxis doch oft wirkungslos. Warum ist das so? Was müsste sich ändern? Und wo liegt trotzdem Potenzial?

Ein Blick hinter die Kulissen eines Gesetzes, das mehr Mut zur Früherkennung fordert – von Unternehmern, aber auch von Beratern und Kapitalgebern.


Was ist das StaRUG überhaupt?

Das StaRUG wurde als Teil der europäischen Restrukturierungsrichtlinie geschaffen, um Unternehmen in der Krise vor der Insolvenz einen rechtssicheren Rahmen zur Sanierung zu bieten. Die Idee: Zwischen der drohenden Zahlungsunfähigkeit und der klassischen Insolvenz klafft eine Lücke – die mit dem StaRUG geschlossen werden soll.

Konkret erlaubt das StaRUG:

  • die gezielte Einbindung einzelner Gläubiger(gruppen),
  • eine teilweise Restrukturierung ohne Gesamtvergleich,
  • und – unter bestimmten Bedingungen – gerichtliche Bestätigung von Restrukturierungsplänen.

Voraussetzung ist die drohende Zahlungsunfähigkeit, aber noch keine eingetretene. Unternehmen sollen also frühzeitig handeln – und dadurch bessere Sanierungschancen haben.


Warum greift das StaRUG so selten – eine theoretisch fundierte Beobachtung

Ich selbst habe bisher keine Mandate auf Basis des StaRUG begleitet, verfolge jedoch die Entwicklung des Instruments seit seiner Einführung intensiv. Aus Gesprächen, Fachveranstaltungen und Veröffentlichungen ergibt sich ein klares Bild:

  1. Zu hohe Anforderungen an das Verfahren
    Der Einstieg in ein StaRUG-Verfahren ist juristisch und operativ anspruchsvoll. Der erforderliche Restrukturierungsplan muss nicht nur rechtlich tragfähig, sondern auch betriebswirtschaftlich sauber hergeleitet und kommunizierbar sein. Vielen Unternehmen fehlt hierfür die Struktur – oder schlicht die Zeit.
  2. Gerichtliche Einbindung schreckt ab
    Obwohl das StaRUG weitgehend außergerichtlich angelegt ist, verlangen zentrale Elemente eine gerichtliche Bestätigung. Das erzeugt Unsicherheit: Wer nicht genau weiß, wie Gerichte im Einzelfall agieren, scheut das Risiko – und bleibt lieber im Gewohnten.
  3. Hohe Verantwortung für das Management
    Anders als bei klassischen Insolvenzverfahren bleibt die Unternehmensleitung am Steuer. Das klingt gut – ist aber gerade in stressreichen Situationen auch eine erhebliche Belastung. Viele Unternehmer sind in dieser Phase nicht vorbereitet, ihr Haus allein durch die Krise zu steuern.
  4. Ein schwaches Umfeld aus Kapitalgebern, Beratern und Institutionen
    Das StaRUG ist ein Systeminstrument. Damit es funktioniert, braucht es ein Ökosystem aus verständigen Banken, unterstützenden Beratern und erfahrenen Investoren. Dieses Umfeld ist in Deutschland (noch) nicht breit genug ausgebildet.

Warum das Gesetz trotzdem eine gute Idee ist

Trotz aller Kritik: Das StaRUG verfolgt einen richtigen Ansatz. Denn:

  • Der beste Turnaround ist der früheste.
  • Je früher Gläubiger eingebunden werden, desto besser die Optionen.
  • Die gerichtliche Verankerung erhöht die Rechtssicherheit für alle Beteiligten.

Aus Investorensicht bietet das StaRUG sogar ein interessantes Instrument: Wer sich als Partner in einer solchen Phase positioniert, kann gezielt investieren, Risiken begrenzen und später profitieren – etwa durch Debt-to-Equity-Swaps oder bevorzugte Rückzahlungskonditionen.


Was muss sich ändern?

Damit das StaRUG seine Wirkung entfalten kann, braucht es mehr als nur juristische Klarheit:

  1. Aufklärung und Schulung
    Unternehmer müssen das StaRUG verstehen – nicht im Detail, aber im Prinzip. Dafür braucht es einfache Visualisierungen, praxisnahe Beispiele und mutige Berater, die das Thema aktiv ansprechen.
  2. Stärkung der Beraterrolle
    Wer ein StaRUG-Verfahren begleitet, braucht interdisziplinäre Kompetenz: betriebswirtschaftlich, rechtlich, kommunikativ. Hier ist ein neues Berufsbild gefragt – der „Frühwarnberater“ oder „Pre-Insolvency Navigator“.
  3. Sensibilisierung von Kreditgebern und Investoren
    Banken, Lieferanten, Family Offices – sie müssen verstehen, dass ein StaRUG-Verfahren keine Insolvenz light, sondern eine strukturierte Sanierungsoption ist. Wer das unterstützt, kann sogar profitieren.
  4. Diskrete Verfahren ermöglichen
    Reputationsschutz ist entscheidend. Verfahren sollten so gestaltet sein, dass sie nicht publik werden, wenn es nicht nötig ist – z. B. durch nichtöffentliche Planbestätigungen oder freiwillige Vertraulichkeitsabsprachen.

Und was können Unternehmer konkret tun?

Wenn Sie Unternehmer sind und merken, dass das Wasser steigt – was tun?

  1. Kassenstatus und Liquiditätsplanung aufsetzen
    Eine solide 13-Wochen-Planung ist Pflicht. Sie zeigt, wie lange das Unternehmen liquide bleibt – und ob eine „drohende Zahlungsunfähigkeit“ besteht.
  2. Frühzeitig Gläubiger identifizieren
    Wer sind die wichtigsten Stakeholder – und wie können sie in einen Plan eingebunden werden?
  3. Berater mit StaRUG-Erfahrung einbinden
    Nicht jeder Restrukturierungsberater kennt das StaRUG. Fragen Sie konkret nach Erfahrungen, Tools, Ansprechpartnern bei Gericht.
  4. Offenheit im Management schaffen
    Ein StaRUG-Verfahren erfordert Mut zur Transparenz – im Team, bei Gesellschaftern, in der Kommunikation.
  5. Szenarien durchspielen – auch für den Fall des Scheiterns
    Was, wenn der Plan nicht durchgeht? Welche Alternativen gibt es? Ist ein Schutzschirmverfahren vorzubereiten?

Aus Beratersicht: Wann lohnt sich der Einsatz?

Für Restrukturierungsberater kann das StaRUG ein wertvolles Werkzeug sein – aber nicht für jeden Fall:

✅ Wenn das Unternehmen noch zahlungsfähig ist
✅ Wenn einzelne Gläubigergruppen gezielt angesprochen werden können
✅ Wenn ein funktionierendes Managementteam an Bord ist
✅ Wenn keine öffentliche Wahrnehmung droht

❌ Wenn das Unternehmen bereits insolvenzreif ist
❌ Wenn das Vertrauen der Stakeholder bereits erschüttert ist
❌ Wenn keine belastbaren Zahlen oder Pläne vorliegen


Fazit: Das StaRUG ist kein Wundermittel. Aber ein gutes Werkzeug – wenn man weiß, wie.

Das StaRUG hat das Potenzial, Krisen vor der Insolvenz lösbar zu machen – effizienter, diskreter und oft auch fairer als ein klassisches Verfahren. Doch es braucht Aufklärung, Mut zur Anwendung und ein unterstützendes Umfeld.

Es geht nicht um juristische Eleganz. Sondern um unternehmerische Weitsicht.


Wie siehst du das?
Wird sich das StaRUG in der Praxis durchsetzen – oder bleibt es ein Instrument für Spezialfälle?
Ich freue mich auf den Austausch.

Wenn Sie mehr über mich erfahren wollen: www.vonbismarck-x.com